Zur Geologie der Region

Der Harz ist Teil eines sehr alten, bereits vor rund 300 Millionen Jahren aufgefalteten variszischen Gebirgszuges, der sich über ganz Mitteleuropa erstreckte, heute jedoch größtenteils unter jüngeren Gesteinsschichten verborgen liegt. Unser Mittelgebirge ist damit wesentlich älter als die "nur" rund 100 Millionen Jahre alten, viel schrofferen Alpen.

Im Erdaltertum (Silur-Unterkarbon) erstreckte sich in unseren Breiten ein ausgedehntes Meeresbecken, in das hinein während einer mehr als 100 Millionen Jahre langen Epoche wechselweise grobes und feines Verwitterungsmaterial von mehr oder weniger entfernten Festlandsgebieten geschüttet wurde. Durch das allmähliche Absenken des Meeresbodens erreichten die abgelagerten Schichten Mächtigkeiten von z.T. mehr als 2000 m. Infolge von Dehnungsbewegungen innerhalb der Erdkruste rissen wiederholt Bruchspalten auf, die bis in den Erdmantel reichten und intensive vulkanische Tätigkeiten hervorriefen. Basaltische Schmelzen stiegen bis zum Meeresboden auf und erstarrten dort zu mächtigen Lavamassen. Durch eine mit Wasseraufnahme verbundenen überprägung wandelte sich der schwarze Basalt in einen grünen Diabas um (Spilitisierung). Solche "Grünsteine" finden sich am Matthias-Schmidt-Berg oder am Oderberg. Schöne Aufschlüsse dieses Gesteins mit charakteristischen kugelförmigen Absonderungen ("Kissenlava-Strukturen") lassen sich im Wäschegrund sowie an der B 27 im Trutenbeek oberhalb von Oderhaus studieren.

Neben den vulkanisch gebildeten Diabasen besteht der Untergrund unserer Bergstadt vor allem aus schwarzen und grauen Tonschiefern, quarzreichen Sandsteinen sowie untergeordnet unreinen Kalksteinen, die alle während der Devonzeit gebildet wurden.

Die Berge nordwestlich von Sankt Andreasberg (Bereich oberes Siebertal) und südlich bzw. südöstlich davon (Sperrluttertal, Breitenbeek) bestehen ganz wesentlich aus derben Grauwacken, Grauwackenschiefern und "waschbetonartig" aussehenden Konglomeraten, sowie Ton- und Kieselschiefern aus der Zeit des Unterkarbons (sog. "Kulm"). Grauwacke ist das wohl "harztypischste" aller Gesteine! Der von Bergleuten geprägte simple Name, der für einen unreinen Sandstein steht, fand als "graywacks" auch Eingang in die englischsprachige Fachliteratur.

Während der Hauptfaltung, die während des Oberkarbons erfolgte, entstanden Faltenstränge mit SW - NE ("erzgebirgisch") streichenden Achsen und Schichtflächen. Diese Strukturen verlaufen quer oder besser gesagt diagonal zur heutigen Längserstreckung des Harzgebirges ("Diagonalscholle"). Diese NW - SE Richtung der Harzumrandung ist die Folge einer jüngeren Störungstektonik. Die vor allem durch die nördliche Randstörung der Harzscholle gegebene Richtung wird allgemein als "hercynisches Streichen" bezeichnet. Der Harz besitzt also eine SW - NE verlaufende innere Struktur und eine NW - SE verlaufende "hercynisch gestreckte Kontur" (MOHR 1984).

Der nach dem höchsten Gipfel des Mittelgebirges benannte Brockengranit, wie auch die anderen Harzer Tiefengesteinskörper (Harzburger Gabbro, Oker- und Ramberggranit) entstanden durch magmatische Intrusionen während des Ausklingens der variszischen Faltung, vor etwa 293 Millionen Jahren. Die etwa 800 °C heiße, aus in der Tiefe aufgeschmolzenen Sedimentgesteinen entstandene Masse wurde empor gepresst und blieb ca. 1 - 1,5 km tief unter der damaligen Erdoberfläche stecken, wo sie als sog. Hochpluton erstarrte und auskristallisierte. Nördlich von Sankt Andreasberg, am Sonnenberg, am Rehberg sowie an der Oder im Bereich des Oderteiches steht dieser rötliche Granit an. Während der sehr langen Abkühlungsphase bildete sich um den Granitkörper herum eine etwa 1000 m breite Hornfelszone ("Bereich der Kontaktmetamorphose"). Aus plattigen Tonschiefern oder geschichteten Grauwacken entstanden zähe und splittrige Hornfelse. Diese Bildungen lassen sich gut am Verlobungsfelsen im oberen Siebertal studieren. Der wohl berühmteste Aufschluss des Kontaktes von Granit und Hornfels befindet sich am Rehberger Graben. Der Name Goetheplatz ist darauf zurückzuführen, dass hier unser naturwissenschaftlich begeisterter Dichterfürst 1783 geologisch geforscht hat.


Während des weiteren geologischen Geschehens gewann die Abtragung zunehmend die Oberhand. Das Gebirge verebnete zu einem flachen Rumpf und versank während des oberen Perms ("Zechstein-Transgression") schließlich wieder im Meer. Fast während des gesamten Erdmittelalters lag der Harz dann unterhalb des Meeresspiegels. Ablagerungen von mehr als 1000 m Mächtigkeit, die zunächst den versenkten Gebirgsrumpf überdeckten, wurden infolge erneut einsetzender Hebungsvorgänge vollkommen wieder abgetragen. Aufgeschlossen finden wir die Sedimente von Trias, Jura und Kreide im südlichen und nördlichen Harzvorland.

Seinen markanten heutigen Umriss erhielt der Harz erst gegen Ende der Kreide, vor rund 60 - 100 Millionen Jahren, als die Harzscholle infolge tektonischer Bewegungen entlang der nördlichen Randstörung ruckweise, insgesamt etwa 3000 m emporgehoben und nordwärts auf die dadurch steilgestellten und überkippten Schichten des Vorlandes ("Subhercyn") geschoben wurde. Am Südrand fanden hingegen nur unwesentliche Bewegungen statt; entlang einer Linie Seesen - Osterode - Herzberg - Walkenried taucht das gefaltete Grundgebirge flach unter die jüngeren, ungefalteten Deckschichten ab. Weitere Hebungen des Gebirgsrumpfes im Laufe des Tertiärs führten schließlich zur Freilegung und Verwitterung der obersten Teile des Granitkörpers.

Während des Jungtertiärs (vor ca. 2 - 5 Millionen Jahren) als in unseren Breiten ein tropisches Klima herrschte, erfuhr der Granit eine tiefgründige, bis 30 m hinab setzende Zersetzung (Vergrusung). Durch Wasseraufnahme wandelten sich die Feldspäte randlich in das Tonmineral Kaolinit um. Der kompakte Gesteinsverband lockerte sich und zerfiel schließlich zu Sand. Am Oderteich oder im Bereich Waage - Fischbachtal lassen sich diese granittypischen Verwitterungsformen gut studieren: Große quaderförmige Blöcke ("Wollsäcke") liegen eingebettet in grusigen Sand. Schönstes Beispiel hierfür ist das imposante Naturdenkmal "Dreibrode-Steine" nordwestlich von Sankt Andreasberg.

Im Zuge der letzten großen Kaltzeit (Weichsel-Eiszeit) vor 80.000 - 10.000 Jahren verstärkte sich die Abtragung des Gebirges abermals. Zwar reichte die nordische Eisfront nur bis an den nördlichen Harzrand heran, doch trug der Hochharz eine eigenständige Eiskappe von der aus Gletscherzungen in die Täler herabflossen. Der nachgewiesene Odertalgletscher hatte eine Mächtigkeit von rund 50 m. Starke Schmelzwasserströme prägten die heutigen tief eingeschnittenen V-förmigen Harztäler.

geologie_strukturkarte_harz
 1 Oberharzer Devonsattel  7 Sösemulde 13 Blankenburger
     Faltenzone
19 Harzgeröder Zone
 2 Clausthaler
    Kulmfaltenzone
 8 Harzburger Gabbro 14 Elbingeröder Komplex 20 Selkemulde
 3 Oberrotliegendes von
    Seesen-Neuekrug
 9 Eckergeneis 15 Tanner Grauwackenzug 21 Meisdorfer Becken
 4 Okergranit 10 Brockengranit 16 Ramberggranit 22 Wippraer Zone
 5 Iberg/Winterberg 11 Acker- Bruchbergzug 17 Sürharzmulde  
 6 Oberharzer Diabaszug 12 Siebermulde 18 Ilfelder Becken

 

Hinweis auf: Gesteinskundlichen Lehrpfad Jordanshöhe

Wer sich in kompakter Form über die große Vielfalt der Harzer Gesteinswelt informieren möchte, dem sei ein Besuch des Gesteinskundlichen Lehrpfades auf der Jordanshöhe empfohlen. Unmittelbar an der Straße von Clausthal-Zellerfeld über Sonnenberg nach Sankt Andreasberg, kurz vor der Bergstadt befindet sich seit 1994 eine Kollektion von etwa 40 Blöcken der harztypischsten Gesteine (Hinweisschild "Harzer Gesteine"). Sowohl für Laien als auch für Fachinteressente bietet sich hier die Möglichkeit, Einblick in die regionale Petrographie zu gewinnen. Ein im Bergwerksmuseum Grube Samson, in der Touristinformation Sankt Andreasberg oder am Lehrbergwerk erhältliches Begleitheft (LIESSMANN, 1994) gibt neben einer Kurzeinführung in die Gesteinskunde nähere Auskünfte über Entstehung, Zusammensetzung und Herkunft der Exponate. Das Heft kann auch per Internet für einen postalischen Versand bestellt werden.

MOHR, K.: Harz Westlicher Teil. Sammlung Geologischer Führer 58, Gebr. Borntraeger, Berlin 1984.

LIESSMANN, W.: Harzer Gesteine. Kurzeinführung in die Petrographie am Beispiel des Gesteinskundlichen Lehrpfades Jordanshöhe bei St. Andreasberg. Sankt Andreasberg 1994.