Die Erzgänge und Mineralien von Sankt Andreasberg

Die Struktur der Sankt Andreasberger Lagerstätte geht recht anschaulich einem von WILKE (1952) erstellten Blockbild hervor. Das Gangrevier hat die Form eines Ost-West gestreckten Dreiecks, dessen größte Länge 6 km und dessen mittlere Breite etwa 1 km beträgt. Charakteristisch hierfür ist eine Ruscheltektonik mit ausgeprägten Auf- und Überschiebungen. Ruschel ist ein alter Harzer Bergmannsausdruck für eine größere nicht mineralisierte Störung, die nur zerriebenes ("verruscheltes") Nebengestein und zum Teil auch Lettenton enthält. Die Bergleute sprachen wegen der geringen Standfestigkeit des Gesteines auch von "Faulen Ruscheln".

Innerhalb des nach Osten hin offenen Ruschelkeils setzen mehr als 20 Erzgänge auf. Im Norden bildet die etwa 70 - 80° streichende, nach Süden einfallende Neufanger Faule Ruschel die Reviergrenze. An ihr wurden die Devonschichten der St. Andreasberger Scholle etwa 500 m weit auf die kulmische Siebergrauwacke aufgeschoben. Im Süden schneidet die 100 - 110° streichende, steil nach Südosten einfallende Edelleuter Ruschel alle anderen Störungen ab und stellt die Grenze zur großen Diabasmasse des Matthias-Schmidt-Berges dar. An ihr fanden komplizierte, meist abwärts gerichtete Bewegungen mit bis zu 400 m Sprunghöhe statt. Wenn auch nicht die Mineralisation, so war doch die Anlegung der Bruchstrukturen eng mit der Platznahme des Brockengranits verbunden.

Innerhalb des Ruschelkeils bildeten sich Nordwest-Südost streichende Scherklüfte, die anfangs geschlossen waren, sich aber öffneten, als die Südscholle längs der Edelleuter Ruschel absank. Die geöffneten, steil nach Nordosten einfallenden Bruchspalten bildeten später die Aufstiegsbahnen für heiße Erzlösungen, die unter bestimmten Bedingungen ihre komplexe Metallfracht in vorhandenen Hohlräumen ausschieden. Durch ihre stauende Wirkung trugen die vorhandenen Ruschelflächen maßgeblich zu einer Konzentration der Vererzung auf verhältnismäßig engem Raum bei.

Verglichen mit den bis 10 m breiten Erzgängen des westlichen Oberharzes, weisen die Andreasberger Gänge nur geringe mächtigkeiten von 0,1 - 3 m auf. Für die abgebauten Gänge kann ein Durchschnittswert von 0,4 - 0,5 m angenommen werden. Von den etwa 15 wirtschaftlich interessanten Gängen waren der etwa 1,2 km lange Samson-Andreaskreuzer-Gangzug und der 1,5 km lange Dorotheer Jacobsglücker-Gangzug die Auf dem bis 1910 gebauten Samsoner Hauptgang traf man noch in 800 m Tiefe Silberreicherzfälle an.

Die Mineralisation war kein einmaliges Ereignis, sondern erfolgte mehrphasig, unterbrochen durch tektonische Bewegungen, in deren Folge alte Mineralauscheidungen zerbrachen, zum Teil wieder aufgelöst und durch neue ersetzt wurden.

geologie blockbild nach wilke transp

Blockbild zur Tektonik der St. Andreasberger Lagerstätte ("Ruschelkeil")

Der Keil ist staffelförmig nach Osten gegen den Brockengranit abgesunken

Neufanger Ruschel = Aufschiebung;
Edelleuter Ruschel = Aufschiebung, später Abschiebung;
RG = Ruschelgänge (Diagonal-Blattverschiebungen)
SG = Spaltengänge (Abschiebungen)

 

Weltberühmte Mineralienschätze

Weltruhm erlangte die Bergstadt Sankt Andreasberg nicht so sehr durch die Menge des hier gewonnenen Silbers - ca. 300 t, das entspricht etwa 5 % der Ausbeute des Clausthaler Reviers - als vielmehr durch das Auftreten außergewöhnlicher Silberminerale, die nicht selten konzentriert in sogenannten Reicherzfälle angetroffen wurden. Hinzukommen prachtvolle Kalkspatkristalle, die in einer erstaunlichen Formenvielfalt ausgebildet sind, verschiedene Arsen-, Antimon-, Nickel- und Kobaltminerale, Selenide, sowie zahlreiche, zum Teil seltene Vertreter aus der zu den Silikaten gehörenden Familie der Zeolithe.

Bis heute sind aus diesem Revier mehr als 120 Mineralarten beschrieben worden. Die speziellen Kombinationen der St. Andreasberger Mineralgesellschaft ("Paragenese"), gibt es sonst nirgendwo anders auf der Erde. Aus großen Drusenhohlräumen konnten herrlich auskristallisiert Mineralienstufen geborgen werden.

Im 19. Jahrhundert bereits durch eine Mineralienniederlage vertrieben, sind Exponate aus St. Andreasberg heute in vielen großen Mineraliensammlungen auf der ganzen Welt zu finden.

Für einige Mineralarten gilt Sankt Andreasberg als Typlokalität, d.h. diese wurden hier entdeckt und erstmals wissenschaftlich beschrieben:

  • Breithauptit  NiSb
  • Argentopyrit AgFe2S3
  • Samsonit Ag4MnSb2S6.

Quasi gilt das auch für das Mineral Harmotom ("Kreuzstein"), einem Vertreter der Zeolithfamilie, der ursprünglich sogar einmal "Andreasbergolith" heißen sollte!

Hauptminerale sind Bleiglanz (relativ silberarm), Zinkblende, Kupferkies und Tetraederit (mit 0,5 - 5 Gew.-% Ag). Einzigartig im Harz ist das Auftreten von gediegen Arsen ("Scherbenkobalt") und Antimon, beide wurden oft zusammen mit den Silbererzen gebildet.

Wichtigste Silberträger sind Dyskrasit (Ag3Sb), Pyrargyrit = Dunkles Rotgültigerz (Ag3SbS3), untergeordnet treten damit verwachsen auch Stephanit (Ag5SbS4), Polybasit ((Ag,Cu)16Sb2S11) und Miargyrit (AgSbS2) auf. Von den lokal stark angereicherten Fe-Ni-Co-Arseniden sind besonders Löllingit (FeAs2), Gersdorffit (NiAsS), Niccolit (NiAs) und Rammelsbergit (NiAs2) und Skutterudit ((Co,Ni)As2-3) hervorzuheben.

In früheren Zeiten traf man insbesondere nahe der Erdoberfläche im Bereich der Grundwasserzone auf erhebliche Silberanreicherungen. In dieser sog. Zementationszone fand sich auch gediegen Silber, in Form von Locken, Blechen, zackigen Massen oder moosartigen überzügen. Eine Eigentümlichkeit dieser Zone war das früher beobachtete Auftreten von silbereichen, grünlichgrauen Krusten, die man wegen ihrer ähnlichkeit mit Vogelexkrementen "Gänsekötigerz" nannte. Zeitgenössische Autoren berichten vom "Buttermilcherz", das als grauer, flüssiger Brei mit Kellen aus Ganghohlräumen geschöpft werden konnte. Mineralogisch handelt es sich bei diesen Erzen um Gemenge von verschiedenen Tonmineralen und dem Silberträger Chlorargyrit (AgCl).

Unter bestimmten Bedingungen kann das bei der Verwitterung im "eisernen Hut" der Lagerstätte freigesetzte Silber auch von den braunen bis schwarzen Eisen- und Manganmulmen, ein Uberbleibsel des weggelösten Braunspats, in nicht unwesentlichen Mengen aufgenommen werden.

 

Vereinfachtes Schema der Mineralisationsabfolge im Sankt Andreasberger Silbererzrevier

(verändert nach Wilke 1952)

geologie_parageneseschema

Mineralienbilder von Fred Schuster

Foto Silbererzgang auf Hundsstrecke/ Grube Samson