Historischer Bergbau und Kulturgeschichte im Oberharz

Der Oberharz mit seinen sieben*), einst freien Bergstädten bildete seit der frühen Neuzeit bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein weitgehend in sich geschlossenes Industriegebiet, das dadurch wirtschaftlich, sozial und kulturell landesweit eine Sonderstellung einnahm. Rund 400 Jahre lang zielte hier Alles auf die Gewinnung der Metalle Silber, Blei, Zink (erst nach 1850), Kupfer und Eisen. Nach einer mittelalterlichen Periode im 12./13. Jahrhundert kam der Erzbergbau Mitte des 13. Jahrhunderts nahezu vollständig zum erliegen. Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts verstärkten sich die von den jeweiligen Landesherrn unterstützten Versuche, das Montanwesen wieder rege zu machen. Im Mittelpunkt stand dabei stets das Silber.

Mit dem Erlass einer Bergfreiheit für das zum Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel gehörende Territorium (1524) entstanden die Bergstädte Grund, Wildemann, Zellerfeld und Lautenthal. Durch Einwanderungen aus dem sächsischen Erzgebirge erfuhr der gewerkschaftlich organisierte Bergbau einen raschen Aufschwung und lieferte dank technischer Innovationen (Pumpenkünste) bald gute Silbererträge. 1554 folgte eine solche Freiheit für das benachbarte grubenhagensche (später hannoversche) Gebiet, wo sich die Bergstadt Clausthal schnell zum Zentrum des Montanwesens entwickelte. Etwas später wurde Altenau gegründet.

Relativ unabhängig davon war bereits 1521 für die zur Herrschaft der Hohnsteiner Grafen zählen Grafschaft Lutterberg eine Freiheit verkündet worden, die zur Gründung der Bergstadt Sankt Andreasberg führte.

Nach dieser ersten Blüte des im 16. Jahrhundert, stellte der 1618 - 1648 tobende 30jährige Krieg eine tiefe Zäsur dar, von der sich das Montanwesen erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erholte und erneut florierte. Mit der Entdeckung eines neuen sehr reichen Erzmittels im Osten der Clausthaler Lagerstätte (Burgstätter Gangzug),und 1709 die Grube Dorothea in Ausbeute kam, und 150 Jahre lang spendete, hohe Erträge die meisten Grubenreviere erneut und spendeten trotz gewisser Schwankungen reiche Ausbeuten. Der 7-jährige Krieg (1756 - 63) sowie die napoleonische Zeit 1803 - 1814 setzten der Wirtschaft abermals schwer zu.

Im 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten Montanrevieren Europas hoch entwickelten technischen Standard. Besonders die zunehmende Tiefe Förderung und Wasserlösung bachte immense Probleme mit sich. Seit der strikten Anwendung des sog. Direktionsprinzips hatte die Bergbehörde die Betriebsaufsicht über die formal gewerkschaftlichen, staatlichen Verbundbergwerke und bedeutende Wasserlösungsstollen entstanden zunehmend verstaatlichten und nach 1788 (Ende der Communionverwaltung) hannoverschen Harz

  • 1777 - 1799 der insgesamt 27,4 km Tiefe Georg Stollen
  • 1851 - 1864 der insgesamt 40,2 km lange Ernst August Stollen

Wassersäulenmaschinen, Fahrkünsten und die Erfindung des Drahtseiles

Bergbau und Hüttenwesen bestimmten das Leben der Menschen oben auf dem Berg, die aufgrund der isolierten Lage Jahrhunderte lang ihre eigene Montankultur bewahrten. Einerseits herrschte in diesem früheren "Bergwerksstaat Oberharz" Vollbeschäftigung und für die Bergleute und es gab eine minimale soziale Absicherung, andererseits waren die Löhne sehr niedrig so dass 60 - 70 Arbeitsstunden pro Woche notwendig waren, um eine Familie einigermaßen versorgen zu können. Als selbständige Provinz im Königreichs Hannover gab es in der "Berghauptmannschaft Clausthal" eine eigentümlich strukturierte Administration, einen eigenen Kalender (das Bergjahr), eine eigene Sprache (die aus dem obersächsischen abgeleitete "Ewerhorzer Mundart") sowie verschiedene aus den alten Bergfreiheiten abgeleitete Sonderrechte und Benefizien. Die über viele Generationen ausschließlich in den Gruben tätigen Menschen entwickelten eine Mentalität, die sich deutlich von der, der "niedersächsischen" Flachländer unterschied. Die harte, oft gefährliche und gesundheitsschädliche Arbeit von Kindheit an, prägten auch das Standesbewusstsein dieses Menschenschlages und führte zu einer den Bergleuten eigenen Solidarität!

Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts infolge von Ertragsrückgängen beim Bergbau die Arbeitsplätze immer knapper wurden, die Bevölkerung aber stark zu nahm, kam es zu erheblichen sozialen Spannungen, die sich in der Revolution von 1848 entluden. Immerhin gab es damals im Oberharz eine Konzentration von 7.000 - 8.000 Arbeitern (etwa 700 davon in St. Andreasberg), die angesichts der reformfeindlichen feudalistischen Politik Hannovers ein bedeutendes revolutionäres Potential darstellten. Als Ventil dienten u.a. staatlich geförderte Massenauswanderungen insbesondere nach Australien, so verließen etwa zwischen 1848 - 1854 etwa 2.000 Menschen den Oberharz. Erst mit der übernahme Hannovers durch Preußen (1866) änderten sich die alten verkrusteten Strukturen.

Fallende Metallpreise und hohe Produktionskosten ließen die Harzer Hüttenerzeugnisse zunehmend unrentabel werden. Trotz eingeleiteter Rationalisierungsmaßnahmen, neuer Maschinen und Techniken ließ sich der Niedergang nicht mehr aufhalten. Mit der Grube Samson wurde 1910 das letzte St. Andreasberger Silberbergwerk eingestellt. 1930 folgte das Erzbergwerk Clausthal mit dem rund 1.000 m tiefen Schacht Kaiser Wilhelm II. Überdauert haben lediglich das früher zum sogenannten "Unterharz" zählende Erzbergwerk Rammelsberg (Massivsulfiderzlager bei Goslar) bis 1988 und das Erzbergwerk Grund bis 1992, die beide hauptsächlich von der Zinkerzeugung lebten.

Kaum anderswo lassen sich die historisch gewachsenen Vernetzungen zwischen Mensch, Natur und dem Montanwesen, wozu im weiteren Sinne auch Forstwirtschaft und Wasserkraftnutzung ("Kulturdenkmal Oberharzer Wasserregal") zählten, eindrucksvoller aufzeigen als am Beispiel des Harzes.

*) Zellerfeld, Grund, Wildemann und Lautenthal im Wolfenbüttelschen Teil des Harzes;
Clausthal, Altenau und Sankt Andreasberg im hannoverschen Teil des Harzes